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Die Geschichte endet nicht mit uns. Sokrates (470 – 399 v. Chr.)
Es sieht so aus, als würde es nicht weitergehen?
Dieser Eindruck stimmt nur teilweise. Ich habe mittlerweile das Buch fertiggestellt, korrigiert und schreibe am Exposé. Parallel dazu laufen erste konzeptionelle Überlegungen zu einem zweiten Roman, der sich wieder mit einer Familiengeschichte unter dem Kontext der deutschen Geschichte befassen wird.
Ich habe mich allerdings gegen eine Veröffentlichung des Romans über das Internet entschieden. Wer dennoch Interesse am weiteren Verlauf der Ereignisse um Henriette und ihrer Enkelin Greta hat, kann mich gerne anschreiben.
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Angst fressen Seele auf
Ein perfektes Zitat von Fassbender für das Leben mit psychischen Erkrankungen.
Angst vor allem. Angst vor Gemeinschaft, Angst vor anderen Menschen. Angst vor Einsamkeit.
Angst vor einem netten Gespräch mit Bekannten oder Kollegen, die einem nichts Böses wollen und gleichzeitige Angst vor der unerträglichen Stille der Einsamkeit.
Wer, der an psychischen Erkrankungen leidet, kennt das nicht.
Greta leidet seit Jahren an Depressionen und Ängsten. Ein kurzes Gespräch mit Kollegen, eine Einladung von einer Bekannten zum Kaffee, ein Treffen von Nachbarn in der Stadt. Jedesmal übersteht sie diese Situation mit „lockerer Konversation“ nur mit Schweißausbrüchen, Herzrasen und völliger Erschöpfung anschließend. Ist es verwunderlich, dass sie sich vor solchen sozialen Kontakten immer mehr zurückzieht, bis sie völlig isoliert ist. Und darunter gleichermaßen leidet.
Ihre Großmutter Henriette wurde 1901 geboren und erlebte, trotz aller Schwierigkeiten der damaligen Zeit in den ersten Jahren unter dem Kaiser, dem erstem Weltkrieg und der Weimarer Republik, als sich das Volk gegen die junge Demokratie wand, die unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit einer Berliner Familie des Bildungsbürgertums. Durch ihre mehr gestrenge als liebevolle Mutter wird sie auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet. Adrettes Aussehen, niveauvolle Bildung und gesellschaftliche Umgangsformen waren wichtiger als Urvertrauen und Geborgenheit. Äußere Erscheinung wichtiger als innere Werte. Einen Ehemann für die junge Frau zu finden, wichtiger als ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Nicht die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit zu fördern war wichtig. Viel wichtiger war es, sie auf die Rolle an der Seite eines Ehemanns zu vorbereiten. Eine gute Schulbildung, um den Gesprächen folgen zu können. Häufige Theaterbesuche, um Diskussionen über die Kultur adäquat verfolgen zu können, natürlich ohne sich selbst zu viel einzumischen. Ballet- Unterricht, um ein graziles Auftreten auf den Gesellschaften zu gewährleisten. Klavierunterricht, um dem Ehemann abends eine entspannende Atmosphäre gewährleisten zu können.
Schulbildung – weniger wichtig, schließlich würde der zukünftige Ehemann das Geld verdienen.
Kindererziehung- weniger wichtig, wozu gab es Kindermädchen. Selbstständiges Leben – wozu, die Frau wurde finanziell vom zukünftigen Ehemann versorgt werden.Und Greta, ihre Enkeltochter?
Sie wurde mehr als sechzig Jahre nach ihrer Großmutter geboren.
Mittlerweile waren Emanzipation und Gleichberechtigung die Stichworte der Zeit.
Doch ihre Großmutter und auch ihre Mutter waren verbacken mit der alten Zeit. Eine Frau musste hübsch anzusehen sein, eine adäquate Gesprächspartnerin für ihren Ehemann, auf gesellschaftlichen Anlässen hübsch und gebildet wirken und eine gute Mutter sein.Doch die Zeit hatte sich geändert! Frauen mussten natürlich weiterhin das Frauenbild, das auch mit zunehmender Bedeutung der Medien aufrechterhalten wurde, erfüllen. Sie mussten auch weiterhin die geforderte Mutterrolle erfüllen! Bis 1958 konnte ein Ehemann über das Dienstverhältnis seiner Frau entscheiden – das heißt, es lag bei ihm, ob sie arbeiten durfte und wenn er seine Meinung ändern sollte, konnte er auch jederzeit das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen. Noch bis 1977 durfte eine Frau in Westdeutschland nur dann berufstätig sein, wenn das „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Aufgaben im Haushalt und in der Kindererziehung blieben klar der Frau zugeordnet und waren vorrangig.
Doch im Laufe der weiteren Jahrzehnte ging die Entwicklung weiter. Im Zuge der Emanzipation wollten und sollten auch die Frauen einen Beruf erlernen, sich weiterbilden und eigenes Geld verdienen.
Und dennoch blieb das Bild der Frau als „Mutter der Familie“ unverändert.
Jetzt hieß es also nicht mehr Mutter und Familie allein, sondern zusätzlich beruflicher Erfolg.
Frauen wurden mit Muli- Tasking- und Omnipotenz- Fähigkeiten belegt, der Mann konnte sich auf seine Kernkompetenzen zurückziehen und machte trotzdem weiter Karriere, während Frauen sowohl auf beruflicher als auch auf privater Ebene scheiterten.
So erging es Greta. In ihrer Jugend vollgestopft mit Terminen wie Ballet- und Klavierunterricht und regelmäßigen Theaterbesuchen mit den Eltern. Sie hatte in ihrer Jugend bereits einen vollen Terminkalender. Doch trotzdem hörte sie von ihrer Großmutter „Sie geht wie ein Trampel“. Ihre Mutter saß hilflos daneben, wollte sowohl ihrer Mutter als auch ihrer Tochter nicht in den Rücken fallen.
Nach Abitur und Studium fand sich Greta in der Situation einer berufstätigen Frau und Mutter wieder. Sowohl beruflich als auch als Ehefrau und Mutter wurden hohe Ansprüche an sie gestellt.
Ist es ein Wunder, dass sie an diesen Ansprüchen und ständigen Vergleichen mit ihrer Großmutter, die das gesellschaftliche Leben so gemeistert hatte und doch sich beruflichen Anforderungen nie stellen musste, scheiterte? Dass sich Versagensängste in ihr alltäglichen Leben einschlichen?
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Schneckenhaus versus Öffentlichkeit
Ich schreibe für mich. Schreiben als Therapie, Schreiben als Ventil.
Aber natürlich träume auch ich, nachdem ich so viel Zeit und Herzblut in das Projekt gesteckt habe, von einer Veröffentlichung. Genauso, wie ich Angst vor vernichtender Kritik habe. Oder Angst davor, meine meine Familie könnte es lesen und sich gekränkt fühlen. Denn ich liebe meine Familie. Oder aber, dass das Projekt meine berufliche Laufbahn vernichtet. Denn für viele kann eine depressive Ärztin ein Problem bedeuten. Man denke allein an Konzentrationsstörungen infolge der Erkrankung. Vielleicht nicht ganz so schlimm, aber ähnlich, wie der depressive Pilot, der im März 2015 den Airbus A320 des Germanwings- Flugs 9525 in den französischen Alpen im Sinne eines erweiterten Massen- Suizid mit Absicht zum Absturz brachte.
Um all dies zu verhindern, schreibe ich unter einem Pseudonym. Das fühlt sich ein bisschen so an, als bekäme ich im Rahmen eines Zeugenschutz- Programmes eine neue Identität.
Aber was soll ich sagen, meine über achtzig- jährige Mutter war die erste, die die Seite entdeckte…